• Wechselhafte Geschichte
    Auszug aus dem Dekret zur Gründung der Maler- und Bildhauerakademie von 1757, © Stadtarchiv Mainz / Archiv Hellmann
    Wechselhafte Geschichte
    Kunstgewerbeschule (Neubau 1879) (Foto 1960), Schulstraße 3, © Stadtarchiv Mainz / Archiv Hellmann
    Wechselhafte Geschichte
    Kunstgewerbeschule/Staatsschule für Kunst und Handwerk 1933, Am Pulverturm 13 (Foto 1960), © Stadtarchiv Mainz / Archiv Hellmann
    Wechselhafte Geschichte
    Landeskunstschule, Holzstraße 36 (Foto 1960), © Stadtarchiv Mainz / Archiv Hellmann
    Wechselhafte Geschichte
    Kunsthochschule Mainz, Am Taubertsberg 6 (Foto 2008), © Kunsthochschule Mainz

    Wechselhafte Geschichte

    Die Kunsthochschule Mainz steht in einer wechselhaften bis in das Jahr 1757 zurückreichenden Tradition. Gegründet von Kurfürst Johann Friedrich Karl von Ostein als eine Maler- und Bildhauerakademie gehört sie zu den frühesten dieser Institutionen im deutschsprachigen Raum. Gleichwohl fehlt ihr jene nachhaltige historische Kontinuität als künstlerische Akademie, die andere Kunsthochschulen auszeichnet. So wird sie – symptomatisch für ihre weitere Geschichte – bereits im Jahr 1785 durch eine Zeichnungsakademie ersetzt und der kurfürstlichen Universität angegliedert. Nach wechselvoller Geschichte steht die Kunsthochschule Mainz heute – mit einem für Deutschland außergewöhnlichen Modell einer teilautonomen Integration in eine Universität – selbstbewusst als anerkannte Kunsthochschule im Verbund der übrigen Kunstakademien.

    WURZELN IM 18. JAHRHUNDERT

    Nicht einmal ein halbes Jahrhundert nach ihrer Gründung 1757, schon vor Ende des 18. Jahrhunderts, im Jahr 1785 muss die in die Universität eingegliederte Zeichnungsakademie im Zuge der Auflösung der Universität unter französischer Herrschaft wieder schließen. Es folgte für die Kunst in Mainz eine schwierige Zeit. Infolge politischer Umbrüche und wechselnder Herrschaftsverhältnisse war weder kontinuierliches Arbeiten noch ein aussichtsreicher Neubeginn möglich. Erst 1841 konnte nach diversen gescheiterten Privatinitiativen zur Gründung von Kunstschulen wieder eine Handwerker-Zeichenschule eröffnen, aus der später eine Kunstgewerbeschule hervorging. Für diese wird in den 1920er Jahren zwar einer der seinerzeit größten und modernsten Neubauten geschaffen, die Fortführung ihrer erfolgreichen Arbeit aber nach der Machtergreifung von den Nazis vereitelt. Das Gebäude bezog die neu geschaffene Staatsschule für Kunst und Handwerk.

    TURBULENTE NACHKRIEGSZEITEN OHNE EIGENSTÄNDIGE KUNSTAKADEMIE IN RHEINLAND PFALZ

    1946, nahezu zeitgleich mit der Wiedereröffnung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), beginnt nun jene neuere Geschichte, in deren kompliziertem Verlauf das künstlerische Studium in Mainz zu Beginn des 21. Jahrhunderts schlussendlich an Profil gewinnen konnte. Zunächst wurde am 3. Oktober 1946 die Staatliche Bau- und Kunstschule in Mainz – jetzt Landeshauptstadt des neu formierten Bundeslandes Rheinland-Pfalz – eröffnet. Alle Bemühungen, eine eigenständige Hochschule für freie und angewandte Kunst zu gründen, scheitern jedoch am zurückhaltenden Einsatz von Land und Stadt sowie den wirtschaftlich schwierigen Bedingungen im zerstörten Mainz.

    Ein gewisser Ausgleich soll 1956 durch die Umwandlung der Kunstschule in eine Landeskunstschule geschaffen werden. Alle Hoffnungen auf eine folgende Aufwertung der Landeskunstschule zu einer Kunsthochschule scheitern jedoch. Insbesondere die Studierenden des künstlerischen Lehramts verlangten die Zuerkennung des Hochschulstatus. Doch statt der Gründung einer Kunstakademie kommt es 1959 zur Schließung der Landeskunstschule. Neu entstehen eine Ingenieursschule und eine Werkkunstschule sowie ein eigenständiges  Hochschulinstitut für Kunst- und Werkerziehung – hieraus sind die heutigen Institutionen Hochschule Mainz /University of Applied Sciences (ehemals Fachhochschule ) einerseits sowie die Kunsthochschule Mainz andererseits entstanden. Es bleiben, gerade im Vergleich zu zeitgleich intensivierten Bemühungen der anderen Bundesländer „besondere Verhältnisse im Lande Rheinland-Pfalz, das über keine Akademie der Künste verfügt“ – wie es 1955 der damalige Direktor des Kunstgeschichtlichen Instituts Friedrich Gerke resümiert.

    NEUBAU FÜR FACHBEREICH KUNSTERZIEHUNG

    Hatte sich Rheinland-Pfalz auch der Gründung einer Kunstakademie verweigert, so wurden doch für den Studiengang Kunsterziehung besondere personelle Bedingungen geschaffen, die zu überregionalem Renommee führten. Und – 14 Jahre später – im Jahr 1972 erhält dieses Hochschulinstitut ein eigenes neues Gebäude am Taubertsberg, in dem die Kunsthochschule Mainz bis heute angesiedelt ist. Der ursprünglich für das Hochschulinstitut konzipierte Bau gehörte allerdings jetzt als Institutsgebäude zur Universität. Das 1971 verabschiedete neue Hochschulgesetz von Rheinland-Pfalz führte zur institutionellen Eingliederung des Hochschulinstituts als Fachbereich 24 in die Johannes Gutenberg-Universität.

    Als ‚Fachbereich Kunsterziehung‘ der Universität war aber die bisherige Eigenständigkeit verloren gegangen – erheblicher Standortnachteil im Verhältnis zu den konkurrierenden Kunsthochschulen der anderen Bundesländer. Erst im Jahr 1986 kann der Studiengang ‚Freie Bildende Kunst‘ geschaffen und damit die Basis für den heutigen Status gelegt werden.

    Doch allein die neue Bezeichnung ‚Fachbereich Bildende Kunst‘ erschwerte – neben räumlichen wie personellen Problemen – die Konkurrenzsituation in einer Zeit, in der in anderen Bundesländern eigenständige Kunstakademien gründetet bzw. vorhandene Häuser erheblich gestärkt wurden. Auch waren mit einem auf das Lehramt ausgerichteten Studium die veränderten Studienziele nicht zu erreichen.

    SONDERWEG ‚TEILAUTONOMIE’. AUF DEM WEG ZUR HEUTIGEN KUNSTHOCHSCHULE

    Die 1990er Jahre waren davon geprägt, nach und nach jene fachlich handwerksorientierten Einschränkungen aufzulösen, die noch aus der Kunstschultradition und der Werkerziehung resultierten. Dies führte zu tiefgreifenden Reformen, die aus eigenen Kräften geleistet und unter Beibehaltung des institutionellen Rahmens umgesetzt wurden. Vermutlich hat es damals nirgendwo mehr Diskussionen über die Arbeitsbedingungen für künstlerische Studiengänge gegeben als in Mainz. Es wurden neue Lehrangebote geschaffen, Professuren umgewidmet, Klassen gebildet, zusätzliche Werkstätten eingerichtet. Hatte sich noch bis in die 1980er-Jahre der Lehrkörper mehrheitlich aus der Kunsterziehung rekrutiert und stellten bei Berufungen kunstpädagogische Qualifikationen das entscheidende Kriterium dar, so wurde nun die künstlerische Profilierung zum maßgeblichen Auswahlaspekt. Dies führte 2001 zur Umbenennung des Fachbereichs in eine ‚Akademie für Bildende Künste‘, die weiterhin zur Universität gehörte, jedoch im Rahmen ihrer Teilautonomie für die Kunst notwendige Sonderrechte erhält.

    Die Veränderungen münden schließlich 2010 nach außen sichtbar in der neuen Bezeichnung ‚Kunsthochschule Mainz‘ und finden ihre Entsprechung in der Novellierung des Hochschulgesetzes, mit dem das Land Rheinland-Pfalz die für Musik und Bildende Kunst zuständigen Fachbereiche aus der Fachbereichsstruktur herauslöst und ihnen die Stellung als Hochschulen in der Universität verleiht. Ihr Sonderstatus als teilautonome Einrichtungen innerhalb der Universität ist mit dem Auftrag an die Universitätsleitung verbunden, dem Rektor und dem Rat der Kunsthochschule besondere Rechte und Aufgaben zu übertragen. Für Selbstverwaltung und Außendarstellung eröffneten sich damit neue Spielräume. So konnte 2017 erstmals ein externer Rektor berufen werden.

    Nach diesen Phasen erheblicher Paradigmenwechsel steht die Mainzer Kunsthochschule heute – mit einem für Deutschland außergewöhnlichen Modell einer teilautonomen Integration in eine Universität – mit neuem Selbstbewusstsein als anerkannte Kunsthochschule im Verbund mit den übrigen Kunstakademien. Sie ist Mitglied der Rektorenkonferenz der Kunsthochschulen RKK. Die Novellierung des Hochschulgesetzes 2020 verleiht dem Status der Kunsthochschule in ihrer auf Klassen beruhenden eigenständigen Struktur und der darin abgesicherten Besonderheit künstlerischer Lehre eine weitere Stärkung.

     

    DEKANE UND REKTOREN

    • FACHBEREICH 24 KUNSTERZIEHUNG DER JOHANNES GUTENBERG-UNIVERSITÄT
      1973-1977         Hermann Volz
      1977-1982         Franz Müller
      1982-1987         Gregor Lambert
      1987-1989         Werner Durth
      1989-1991         Dieter Brembs
      1991-1993         Volker Ellwanger
      1993-1995         Elfriede Knoche-Wendel
      1995-1997         Ullrich Hellmann
      1997-2001         Wolfgang Reiss
    • AKADEMIE FÜR BILDENDE KÜNSTE
      2001-2002        Ansgar Nierhoff
      2002-2003        Dieter Brembs
      2003-2004        Jörg  Zimmermann
    • KUNSTHOCHSCHULE MAINZ (AB 2010)
      2004 – 2014 Winfried Virnich
      2014 – 2017 Dieter Kiessling
      Seit 2017       Martin Henatsch
    • LITERATURNACHWEIS
      -Ullrich Hellmann, Kunstschulen in Mainz seit 1757. Die Geschichte zu einer 250-Jahr-Feier der Akademiegründung, Mainz (Vulkan) 2004
      -Ullrich Hellmann, Zwischen Handwerk und Wissenschaft. Kurfürstliche Akademie und Kunststudium  im ausgehenden 18. Jahrhundert in Mainz, Mainz (Vulkan) 2005
      -Ullrich Hellmann, Die kurfürstliche Maler- und Bildhauerakademie (1757-1785). Eine Kunstschule zur Zeit der Aufklärung unter der Regentschaft der letzten drei Kurfürsten in Mainz, Mainz (Vulkan) 2007
    • FOTONACHWEIS
      © Stadtarchiv Mainz / Archiv Hellmann / Kunsthochschule Mainz