Kontingenz
Bezogen auf Kunst meint der Begriff „[…] ihre seit der Moderne zu beobachtende Ausrichtung auf Ambivalenz, das Offenhalten von Interpretationsmöglichkeiten sowie die Betonung des Flüchtigen, Prozesshaften und zufälligen. Kontingenz in der Kunst betont das Potenzial des Ereignishaften genauso wie die potenziell freie Wahl der Mittel und Verfahren, bei gleichzeitigen Determinierungen durch den jeweiligen Kontext. Sie bezeichnet das Unkalkulierbare, Unvorhersehbare, Unwägbare und Unplanbare. Zentral sind dabei sogenannten ‚Figuren des Dritten‘. Diese ‚können vorherrschende dualistische Modelle und Dichotomien unterlaufen, indem sie nicht die Vereindeutigung von Differenz, sondern das Dazwischensein und die Zwischenräume in ihrer Hybridität und Ambivalenz fokussieren. Effekte des ‚Dritten‘1 resultieren darin, Bedeutungsbehauptungen zu irritieren und dadurch Bedeutung zu wandeln.“ (Carmen Mörsch)
1Redaktioneller Hinweis: Das Zitat stammt aus dem Antragspapier zum Forschungsprojekt „Kalkül und Kontingenz“ (eingereicht beim Schweizerischen Nationalfonds zum Oktober 2012). Mit dem ‚Dritten‘ sind dreiwertige Ordnungsschemata gemeint, die an die Stelle von zweiwertigen Modellen treten. Zu diesen kultur- und sozialtheoretischen Themenfeld zählen auch die eingangs des Zitats erwähnten ‚Figuren des Dritten‘ wie der*die Trickser*in oder der*die Übersetzer*in (aber eben nicht nur).
Quelle: Mörsch, Carmen (2017): Nebenbei, im Kontext/ Incidentally, in Context. Carmen Mörsch in Konversation mit/ in Conversation with Garth Evans. In: Kalkül und Kontingenz. Kunstbasierte Untersuchungen im Kunst- und Theaterunterricht. Hrsg. von Anne Gruber, Anna Schürch, Sascha Willenbacher, Carmen Mörsch und Mira Sack. München, 2020. S. 7.