• Florian Glaubitz, Schamott – Kunstverein Bellevue-Saal, Wiesbaden

    Florian Glaubitz, Schamott – Kunstverein Bellevue-Saal, Wiesbaden

    30 /09/ – 31/10/2021

    Florian Glaubitz, Fotografie, Installation

    Ausstellungseröffnung und Buchpräsentation („Mutter Architektur“)
    Donnerstag, 30.September 2021, 19.00 Uhr

    Einführung

    Marja Marlene Lechner, Künstlerin
    Musikalische Performance und Lesung

    Buchpräsentation: „Mutter Architektur“
    Brot allein reicht nicht. Wir brauchen auch Blumen.
    Nora-Swantje Almes

    Mal beleuchtet, mal hinter Glas, abgeschnitten, flach und bauchig führen mich Florian Glaubitz’ Bilderwelten zu Kernfragen vom zeitlosen Verhältnis von Körper, Material und Produkt. Weniger durch Worte, sondern durch eine jahrelang entwickelte Bildsprache, erzählt er in Ketten von Verlangen, dem konsequenten Einfordern von Schönheit, dem Festhalten von temporären Zuständen, in denen alles möglich scheint und die Frage aufwirft, was bleibt und uns immer wieder berührt. Die Portraits, Landschaftsaufnahmen und Stillleben fungieren als Überbau für Ideen und spiegeln ein unaufhaltsames Streben nach zeitgenössischen Neuinterpretationen von Leben wider, die weit entfernt sind von den dominierenden beschleunigten, oberflächlichen und neoliberalen Gesellschafts- und Produktionsformen.

    Er öffnet meinen Blick für Prozesse, denen ich oft nicht genug Aufmerksamkeit schenke, obwohl sie die Grundlage meiner und der allgemeinen materiellen Lebensrealitäten bilden. Tellertürme, Keksdosen und Butterdosen sind ein Anerkennen von vorangegangenem innovativen Handwerk und künstlerischer Produktion, auf deren Design heutige Massenproduktion basiert. Die Fotografien tragen eine Fürsorge in sich, an der er die Betrachter*innen teilhaben lässt und die von Bilderreihen der Körperpflege unterstrichen werden. Routinierte Vorgänge, in der Produktion von Keramik, dem Benutzen von Wattestäbchen, aber auch die gerechte Aufteilung eines Kuchens, sind Handlungen von Sorgfalt. Dem Inneren zugewandt verschmelzen die Nahaufnahmen der roten Keramikstrukturen mit dem Körperlichen.

    In einer Vielzahl von parallel verlaufenden Themen und Motiven sammelt Florian Glaubitz Materialien und Momente, um seine eigene Welt und Alltagsstruktur zu erschaffen. Der fast therapeutische Weg zu neuen Bildern ist das, was Rhythmus, Struktur und Gleichmäßigkeit bringt, aber im Kern immer unförmig und nie geradlinig ist. Eine Nahaufnahme eines Bauhaus-Stuhls in einem Meisterhaus in Dessau, versinnbildlicht den Versuch, aus sämtlichen Quellen zu schöpfen, diese zusammenzutragen und ganzheitlich zu arbeiten – ein Unterfangen, welches nicht gelingen und kein endgültiges Resultat hervorbringen kann. Ähnlich den multiplen Zuständen von Ton gilt es, diesen Zwischenraum, das ständige Vor und Zurück, die Unmöglichkeit des (Be)greifens und die temporären Momente von Schönheit anzunehmen, wertzuschätzen und sich leiten zu lassen. Wenn sich Eiszapfen an der Autodecke bilden, ist es Zeit umzukehren und auf den nächsten Frühling zu warten.

    Was trägt uns durch die Welt? Ist es der ermächtigende Damenschuh und die individuell angefertigte orthopädische Sohle, die eine Fehlfunktion impliziert? Vielleicht ist es auch ein gedeckter Abendbrottisch; die Teller, von denen wir essen; der Tisch, an dem wir zusammenkommen; die Architektur, die uns ein Zuhause gibt. Glaubitz’ Bilderwelt wendet sich der Suche nach dem Essentiellen zu. Doch Brot allein reicht nicht. Wir brauchen auch Blumen.

    Öffnungszeiten
    Dienstag bis Freitag: 16.00–19.00 Uhr
    Samstag und Sonntag: 14.00–18.00 Uhr

    Adresse
    Kunstverein Bellevue-Saal
    Wilhelmstraße 32
    65183 Wiesbaden
    www.kunstverein-bellevue-saal.de

    Bildnachweis/Textnachweis
    Florian Glaubitz, Foto/Text 2021 © Florian Glaubitz