• #1 wait for the stories it has to tell, How to touch an airport gently,

    #1 wait for the stories it has to tell, How to touch an airport gently,

    #1 wait for the stories it has to tell

    Während die Passagiere am Frankfurter Flughafen auf ihre ankommenden Koffer warten, laufen Werbeclips auf den Bildschirmen über den Gepäckbändern, die zum Konsum anregen sollen. Die Künstler*innen der Klasse Grcic besetzen bis zum 30. September 2018 die Lücken zwischen den Spots mit Videoarbeiten und kehren den Werbeschauplatz zum Ausstellungsort um. Die Videos folgen keiner gemeinsamen Narration, sondern jede Arbeit präsentiert eine singuläre Begegnung mit dem Flughafen:

    Elfenbeinhörner, ausgestopfte Geparden, Bärenkrallen und kostbares Fell. Für ihre Videoarbeit D. haben Mira Siering, Robin Stretz und Eleni Wittbrodt die kuriosen Gegenstände der Asservartenkammer des Zolls vor Ort fotografiert. Schauplatz des Videos ist hingegen die Dunkelkammer, in der die fotografischen Reproduktionen zu Protagonisten werden. Die Beschaffenheit der Objekte transformiert sich vom physischen Ding zu Schwarzweiß-Fotografien und schließlich zum Filmmaterial. Diese Prozesse finden innerhalb spezifischer, geschützter Räume wie der Asservatenkammer und Dunkelkammer statt. In D. untersuchen die Künstler*innen verbotene Objekte, die Anziehungskraft von Exotizismus und die Transformation von Materialität über verschiedene (Gesetz-es-)Räume.

    Alle drei Monate werden die Fundsachen am Frankfurter Flughafen zur Versteigerung freigegeben. Bei einer dieser Veranstaltungen erwarben Giacomo Frey, Nhu Y Linda Nguyen, Antonia Nieselt und Jueun Lee fünf Koffer, deren Inhalt sie nicht kannten. Beim Öffnen blickten die Künstler*innen jedoch nicht nur in Gepäckstücke, sondern auch in die Persönlichkeiten der ursprünglichen Besitzer*innen. Für ihre Videoarbeit 21bis5 kehrte die Gruppe nachts zum Frankfurter Flughafen, dem Verlustort der Gepäckstücke, zurück, um den scheinbar verloren gegangenen Wert der Gegenstände wiederherzustellen. In der geisterhaften Atmosphäre der Nacht, in der der Flughafen in einen Ruhezustand versetzt ist, aktivierten die Künstler*innen sowohl die Koffer als auch den Ort selbst, indem sie die Gegenstände performativ in die kühlen und unbelebten Räume des Flughafens integrieren. Das Projekt wird zusätzlich in den digitalen Raum übertragen und lässt sich bei Instagram unter @21bis5 weiterverfolgen.

    Verlässt man die unmittelbaren Grenzen des Flughafengeländes und begibt sich in die umliegenden Wälder, bemerkt man bald, dass beides eng miteinander verbunden – wenn nicht sogar verwachsen ist. Die ökologischen Begebenheiten seines Umraums nehmen direkten Einfluss auf die Abläufe und sogar baulichen Maßnahmen innerhalb des Flughafenzauns, während andererseits im 10-Jahrestakt die Kapazitäten des drittgrößten Flughafen Europas immer wieder an ihre Grenzen stoßen. Die angrenzenden Wälder dienen hierbei als Expansionsfläche für den Bau von neuen Terminals oder Start- und Landebahnen. In ihrer Videoarbeit Ohne Titel folgt Christiane Jaspers den Spuren von Wachstum, Transformation und Aneignung des geographischen Raumes sowohl auf Seiten des Flughafens als auch der Natur. Ihre fotografischen Impressionen hat sie in einem Video zu Erinnerungen zusammengefügt, das durch stroboskopische Effekte immer neue Perspektiven und Winkel der Orte zeigt und miteinander in Verbindung setzt, sodass der Blick darauf einer Vielzahl von Augenaufschlägen in einem Moment gleicht.

    Die Sprache an Bord eines Flugzeugs unterscheidet sich grundlegend von gewöhnlichen Kommunikationssystemen. Sie verfügt über nahezu keine Sätze und ist präzise auf wenige Wörter beschränkt, die als Codes fungieren. Codes, die nur diejenigen verstehen können, die eingeweiht sind. Imran Utku hat die Kommunikation von Flugzeugbesatzungen genau untersucht und wiederkehrende Muster feststellen können. Bei der Videoarbeit Checked lesen die Betrachter*innen den Dialog der Besatzung wie einen Filmabspann und entdecken erst beim zweiten oder dritten Mal, dass die Konversation eine Symbiose ist: Ein Hybridtext aus originalen Sprachfragmenten der Crew sowie zusätzlich eingefügten Wörtern der Künstlerin, die sich kritisch auf Aspekte des Flughafens und seinen Reglementierungen beziehen.

    #1 wait for the stories it has to tell
    ist Teil der Ausstellungsreihe how to touch an airport gently, einer Serie an sanften, ephemeren Begegnungen und Berührungen mit dem Frankfurter Flughafen und seinen Besucher*innen, die in Form von Screenings, Performances und Ausstellungen in Gang gesetzt werden. Die Ausstellungsreihe findet vom 01.09. – 01.12.2018 statt und ist ein Projekt der Klasse Tamara Grcic (Kunsthochschule Mainz) kuratiert von Carina Bukuts.

    Dauer
    01.09. – 30.09.2018

    Ort
    Gepäckausgabe (Achtung Sicherheitsbereich)
    Terminal 1, Frankfurt Flughafen

    Künstler*innen
    Giacomo Frey, Larissa Frömel, Christiane Jaspers, Jueun Lee, Antonia Nieselt, Nhu Y Linda Nguyen, Mira Siering, Robin Stretz, Imran Uktu Eleni Wittbrodt

    Bildnachweis
    how to touch an airport gently, Shirley Heim, Grafik, 2018 © Shirley Heim